Negativer Nachmittag: Welt, Macht, Wahn – Deutschlands »neue Rolle«
Diskussionsveranstaltung aus der monatlichen Reihe der Negativen Nachmittage bei Kaffee und Keksen in der HSB.
Jahrzehntelang warnten KritikerInnen vor dem anstehenden deutschen Griff zur Weltmacht. Die Deutschen, so die Diagnose, stünden kurz davor, die letzten Fesseln der Westbindung abzustreifen und zu vollenden, was 1918 und 1945 noch misslungen war: die Durchsetzung der völkischen Neuordnung Europas und die Etablierung der gegenhegemonialen Friedensfront gegen Israel und die USA.
Liest man die Nachrichten, so könnte man denken, sie hätten ihr Ziel endlich erreicht. Man dürfe sich, so der allgemeine Tenor, bei der Verteidigung nicht länger auf andere verlassen, sondern müsse mutig mit einer eigenständigen Rüstungs- und Militärpolitik vorangehen (wofür sogar die heilige Schuldenbremse entsorgt werden darf). Aber so richtig befreit wirken die Landsleute dabei nicht. Die Signale der Trump-Regierung, dass es mit der NATO und der transatlantischen Verteidigung zuende gehe, sorgen mehr für Panik denn für Hochstimmung. Sich als verhinderter Weltenlenker aufzuspielen, macht halt nur solange Spaß, solange man weiß, dass man es nie unter Beweis wird stellen müssen.
Und so richtig ins antideutsche Schema passen will der deutsche Aufbruch auch nicht. Statt als Führungsmacht der Reaktion dem westlichen Liberalismus den Kampf anzusagen, sind es vielmehr die USA selber, die lieber mit den Despotien aller Couleur gemeinsame Sache machen wollen als mit dem hoffnungslos links-grün-versifften Europa. Und statt sich nach dem 7. Oktober als Vorreiter des Judenhasses an die Spitze der globalen Koalition gegen Israel zu setzen, sind es umgekehrt die Hamas-Fans, die Deutschland wegen zu geringer Toleranz für Vernichtungsantizionismus ins Visier ihrer »German Guilt«-Kampagne genommen haben.
Grund genug, gemeinsam darüber zu sinnieren, was zum Teufel da gerade passiert; was von den antideutschen Diagnosen vergangener Jahrzehnte weiterhin zutrifft, was zu aktualisieren wäre – und was vielleicht immer schon schief war; und was eigentlich aus dem guten alten Antiamerikanismus geworden ist, seit dieser in den USA selber an der Regierung ist.
Wie immer ab 16 Uhr bei Kaffee und Keksen in der
Hamburger Studienbibliothek