Kriegstüchtig auf Kosten demokratischer Rechte?
Militarisierung und neue Wehrpflicht

„Wir müssen kriegstüchtig werden – wir müssen wehrhaft sein und die Bundeswehr und die Gesellschaft dafür aufstellen.“ Mit diesen Worten bekräftigte Verteidigungsminister Boris Pistorius die vom damaligen Bundeskanzler Scholz ausgerufene „Zeitenwende“ zu Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine im Februar 2022.
Fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) wollen die NATO-Staaten künftig für Verteidigung aufwenden. Hierzulande steht der Bundeswehr bis 2027 bereits ein Sondervermögen von 100 Milliarden Euro für Aufrüstung und "Kriegstüchtigkeit" zur Verfügung. Darüber hinaus wurden mittels einer Grundgesetzänderung weitere kreditfinanzierte Milliardenausgaben für die Bundeswehr unbeschränkt ermöglicht.
Militärisches Denken und Handeln prägen aber auch zunehmend politische Debatten und Denkmuster: Die Bundeswehr tritt aus ihrem gesellschaftlichen Schattendasein heraus. Ihre Vertreterinnen sitzen in TV-Talkshows, die „Armee der Demokratie“ ist an Schulen und auf TikTok präsent. Ein Veteranentag und kostenlose Bahnfahrten in Uniform sollen Sichtbarkeit und Akzeptanz für das Militär erhöhen. Soldat:in zu sein gilt als „cool“. „Kriegstüchtigkeit“ ist auch eine Frage der gesellschaftlichen Akzeptanz.
Mehr und mehr wird schließlich gefordert, die seit 2011 ausgesetzte Wehrpflicht für Männer ab 18 Jahren wieder einzuführen. Die Zahl der Bundeswehrsoldat:innen soll bis 2030 auf 460.000 verdoppelt werden. Für den (absehbaren) Fall, dass dieser Zuwachs sich nicht durch Freiwillige realisieren lässt, legte Verteidigungsminister Pistorius bereits einen Gesetzentwurf vor, der Zwangsrekrutierungen ermöglichen soll und die verpflichtende Einziehung nicht länger davon abhängig macht, ob ein Spannungs- oder Konfliktfall ausgerufen wurde. Demokratische Grundrechte wären massiv eingeschränkt.
Yannick Kiesel und Lisa Pfitzmann geben einen Überblick zu den aktuellen Entwicklungen, stellen aber auch historische sowie aktuelle Widerstandsformen gegen Wehrpflicht, Zwangsdienste und Militarismus zur Diskussion.