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linksradikale - Politik und D.I.Y-Kultur
in Hamburg und Umgebung

Die „zweite Verfolgung“. Antiziganistische Polizeigewalt in Hamburg

Erinnerungspolitik / Antifaschismus, Neonazismus / Rassismus, Partizipation / Bürger:innenrechte

Am 5. November 1960 erschoss ein Polizist, zu einer Auseinandersetzung in einer Niendorfer Metzgerei gerufen, zwei polnische Roma – Karol Kwiek (26) und Joska Czori (27). Schon die erste Funkmeldung der Polizei war durch antiziganistisches Ressentiment geprägt. Tags darauf, bevor überhaupt Roma-Zeugen befragt worden waren, legte sich die Polizei abschließend fest: Die Todesschüsse seien in Notwehr erfolgt. Angestachelt durch die Medienberichterstattung, ließ eine breite Öffentlichkeit ihrem antiziganistischen Hass freien Lauf.

Dieses lange verdrängte schreckliche Ereignis vor 65 Jahren ist Anlass, die Rolle der Hamburger Polizei bei der Unterdrückung der Sinti und Roma nach 1945 zu beleuchten. Im faschistischen Deutschland hatte die Polizei ihre Deportation in die Vernichtungslager verantwortlich durchgeführt. Die Täter wurden nach 1945 so gut wie nie belangt, blieben im Gegenteil für die „Zigeunerfrage“ zuständig, auch in Hamburg. Hier übernahm die Polizei die von der NS-Zigeunerdienststelle angelegte „Zigeunerkartei“ und legte bis in die 1970er Jahre neue Akten an. Denn Roma und Sinti wurden als Opfer der nationalsozialistischen „Rassen“politik jahrzehntelang nicht anerkannt, sondern für ihr Schicksal selbst verantwortlich gemacht. Sie wurden von der Polizei registriert, kontrolliert, diskriminiert. Das zweite Hamburger Wohnwagengesetz etwa, das die Bürgerschaft 1959 nach einem Zuzug von 145 polnischen Roma erließ und das Wohnen in Wohnwagen verbot, bot der Polizei Handhabe für ständige Kontrollen und Schikanen.

Bis heute ist die bis zu den Anfängen der Polizei reichende tiefe Verankerung antiziganistischer Ressentiments in den polizeilichen Strukturen wenig aufgearbeitet. Auf unserer Veranstaltung richten wir den Blick auf die damaligen Ereignisse und sprechen über die Kontinuitäten antiziganistischer Einstellungen und Handlungsweisen bei der Polizei.

- Einleitende Worte im Gedenken an Karol Kwiek und Joska Czori durch Christiane Schneider (Rosa Luxemburg Stiftung Hamburg)
- Gespräch mit Vertreter*in der Rom und Cinti Union e.V. (angefragt)
- Vortrag zum Thema: Antiziganistische Strukturen und Praktiken im polizeilichen Handeln nach 1945, von Dr. Yvonne Robel, Historikerin und wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg (FZH)
- Moderation: Dr. Natascha Clasen (Fanräume e.V.)

Die Veranstaltung findet in Kooperation mit dem Fanladen St. Pauli und Fanräume e.V. statt. Gefördert durch die Landeszentrale für politische Bildung Hamburg.

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