Wege zur sorgenden Stadt – Erfahrungen und Strategien feministischer Vergesellschaftung

Was macht eine Stadt zur sorgenden Stadt?
Sorgearbeit ist die Grundlage jeder Gesellschaft – ob im familiären Alltag, in Nachbar*innenschaften, zwischen Generationen oder im globalen Miteinander. Sie hält unser gesellschaftliches Zusammenleben und unsere Wirtschaft am Laufen. Dennoch wird sie im öffentlichen Diskurs oft unsichtbar gemacht, findet das sich Kümmern um Andere häufig zu prekären Bedingungen statt und ist entlang von Geschlecht, Klasse und Herkunft ungleich verteilt. Angesichts wachsender sozialer Ungleichheit, ökonomischer Unsicherheit und des Klimawandels wird deutlich: Eine zukunftsfähige Gesellschaft muss Fürsorge ins Zentrum gesellschaftlicher Organisation rücken.
Eine Sorgende Stadt stellt genau das in den Mittelpunkt: das gute Leben für alle. Sie bietet zugängliche Betreuungs- und Gesundheitsinfrastrukturen, faire Verteilung von Sorgearbeit, kollektive Formen der Verantwortungsübernahme, eine gerechte Stadtplanung und gemeinwohlorientierte Nutzung von Ressourcen und Räumen. Doch wie kann der Weg in eine solche Stadt gelingen? Wie können Sorgepraktiken inklusiver, solidarischer und zugänglicher für alle organisiert werden? Welche Rolle spielen feministische Bewegungen und munizipalistisches Handeln dabei? Und welches Umnutzungspotenzial steckt in vorhandenem, städtischem Leerstand?
Darüber sprechen wir an diesem Abend mit Barbara Fried, Anna Köster-Eiserfunke von der Poliklinik Veddel und Paula Mikat von der Initiative „Sorge ins Parkcenter“. Gemeinsam werfen wir einen Blick auf konkrete Initiativen aus Hamburg und Berlin und tauschen uns über bestehende Ansätze, Erfahrungen und Strategien aus.
Für die Initiative „Sorge ins Parkcenter“ wird Paula Mikat mit uns diskutieren und das Projekt vorstellen. Die Berliner Initiative sich für die Umnutzung eines leerstehenden Parkcenters zu einem öffentlichen Sorgezentrum ein. Die Initiative vereint feministische, stadtpolitische, sozialökologische und gemeinwohlorientierte Ansätze und fordert demokratische Beteiligung an der Nutzung urbaner Räume. Die Initiative kritisiert den Mangel an nötigen Sorge-Infrastrukturen, die für alle Menschen zugänglich sind, und fordert demokratische Aushandlungsprozesse für eine Umnutzung von bestehendem Leerstand in der Stadt.
Für die Poliklinik Veddel wird Anna Köster-Eiserfunke mit uns diskutieren und die Arbeit der Poliklinik vorstellen. Die Poliklinik im Hamburger Stadtteil Veddel ist ein solidarisches Gesundheitszentrum, deren Verständnis von (gesundheitlicher) Fürsorge deutlich über das gängiger hausärztlicher Versorgung hinausgeht. Der ganzheitliche Ansatz berücksichtigt insbesondere die sozialen Determinanten von Gesundheit wie Prekarität, Wohnen oder Diskriminierung, und stellt die Bedürfnisse der Menschen des Stadtteils in den Mittelpunkt. In enger Zusammenarbeit mit der lokalen Bevölkerung schafft die Poliklinik einen Raum, in dem Gesundheit, soziale Teilhabe und Solidarität miteinander gedacht und gestaltet werden. Die Poliklinik gilt als Modell für eine neue, sozialraumorientierte Versorgung im Sinne einer sorgenden Stadt.
Barbara Fried ist stellvertretende Direktorin des Instituts für Gesellschaftsanalyse der Rosa-Luxemburg Stiftung und leitende Redakteurin der Zeitschrift LuXemburg. Sie publiziert unter anderem zur Re-Organisierung von Sorge-Arbeit, der Krise sozialer Reproduktion und klassenpolitischem Feminismus. Gemeinsam mit Alex Wischnewski ist sie Herausgeberin der Broschüre „Sorgende Städte“ (2024), welche Fragen über feministische Stadtpolitik, Care-Arbeit und Vergesellschaftung fokussiert.
Moderation: Siri Keil (Werkstatt III)